Dolltopia

Etwa drei Stunden später hörte Sinistra vom Hauswirtschaftsraum aus, wie die Haustür aufging. Sie stellte den Besen beiseite, um ihrer Mitbewohnerin entgegenzugehen. In der Zwischenzeit hatte sie nicht nur das Bad geputzt, sondern auch ihr eigenes Zimmer und den Flur. Sogar die Fenster hatte sie schon von außen sauber gemacht. Nun war sie langsam ein wenig genervt, daß der Einkauf so lange gedauert hatte.

"Vielen Dank noch mal fürs Helfen!" hörte sie Eternia sagen, und eine männliche Stimme antwortete: "Das war doch selbstverständlich, Eternia. Viel Spaß im neuen Haus, und ich werde sie in der Pension vermissen."

Sinistra blieb wie vom Donner gerührt im Flur stehen. Wer war das denn jetzt?

"Ha ha, Sie alter Schmeichler!" lachte Eternia und die Haustür ging erneut auf und zu.

Draußen wurden Geräusche laut. Sinistra ging ans Fenster und sah vorsichtig hinaus.

 

Dolltopia

"Auf Wiedersehen, Herr Wirtz!"

Sinistra sah gerade noch, wie ein Transporter davonfuhr. Eternia stand unten im Garten, umringt von mehreren Kartons und einem pinken Regal, und winkte dem Fahrer nach.

Sinistra ging rasch nach unten, um beim Tragen zu helfen.
"Hallo, Eternia! Da bist du ja endlich wieder!" In ihrer Stimme schwang ein Hauch von Vorwurf mit. Im Hausflur standen Farbeimer und Tüten mit anderem Material, und Eternia schleppte gerade einen weiteren Umzugskarton herein.

"Hey, Sinistra! Sorry, es ist viel passiert! Hilf mir mal eben schnell, ja? Ich hab draußen noch mehr von meinen Sachen stehen. Kannst du den Malerkram ins Wohnzimmer bringen, während ich mein Zeug in mein Zimmer bringe?"

"Ja, sicher..."

 

Dolltopia

Kurz darauf war alles erledigt und Eternia bereitete das Wohnzimmer aufs Streichen vor. Sie faltete geschickt einen Hut aus Papier und setzte ihn auf, während sie erzählte. "Das ist eine total verrückte Geschichte! Als ich gerade im Baumarkt war traf ich dort plötzlich meinen Vermieter, der neuen Teppich kaufte!"
"Du meinst unseren Vermieter?"
"Nein, ich meine den Vermieter, in dessen Pension ich bislang wohnte."
"Ah, verstehe."
"Als er sah, was ich alles einzukaufen hatte, bot er mir an mir die Sachen mit seinem Van zu transportieren. Und weil die Pension auf dem Weg liegt konnte ich ihn mit etwas Charme sogar dazu überreden dort anzuhalten und meine Kartons ebenfalls einzuladen. Ich muß morgen nur noch einmal hin, um die letzten Kleinigkeiten zu holen."
"Oh, das ist ja perfekt!"
"Nein, perfekt wäre es gewesen, wenn er mir die Miete für den Rest der Woche erlassen hätte." Eternia zog eine unglückliche Grimasse. "Und wenn ein Mann in meinem Alter mir geholfen hätte statt diesem netten Familienvater."
Sinistra rollte mit den Augen.

 

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"Jetzt aber mal hopp, hopp! Wir müssen schnell mit dem Streichen anfangen, sonst wird es zu spät. Erstmal müssen wir alles mit Folie abdecken und dann..." Die Blondine sah Sinistra an. "Sag mal, hast du echt keine anderen Klamotten? Ich garantiere dir, daß du diese hier hinterher wegschmeißen kannst, die werden voller Farbe sein bei dem ausladenden Rock."

Sinistra meinte: "Ich unterbreche dich ja nur ungern, aber eigentlich hätte ich auch noch etwas zu berichten."
"Ah ja? Was gibt's denn? War ein Nachbar da? Oder ist das Klo verstopft oder was anderes kaputt, das wir melden müssen?"

"Nein, etwas ganz anderes." Sinistra lächelte. "Eternia, magst du roten Steinboden?"
"Äh... ja, denke schon. Wieso?" Eternia war verwirrt.
Nun setzte die Elementaristin ein verschmitztes Grinsen auf. "Hm, wie wäre es dann, wenn du alleine streichst und ich kümmere mich darum, daß der Holzboden in der Küche verschwindet?"

"Willst du mich auf den Arm nehmen?" platzte es aus Eternia heraus. "Wie willst du denn den Boden ändern?! Wir haben weder Material noch Geld dafür. Und roter Steinboden? Hast du eine Ahnung, was Fliesen kosten?!"

"Laß es mich so sagen... Ich hatte eine kleine Unterredung mit einem Element. Wenn du mir ein wenig vertraust verspreche ich dir, daß ich mich um alles kümmere."

"Uhm... okay. Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, aber ich schaffe die Decke hier auch alleine. Mach bloß keinen Blödsinn."

"Keine Sorge, ich habe mein Diplom als Elementarist nicht geschenkt bekommen!"

 

Dolltopia

Eternia hatte gerade die ersten Bahnen gestrichen, als das Gerumpel losging. Das Haus erzitterte leicht und durch die Decke drang das Geräusch von berstendem Holz und lautem Knarren und Poltern.

"Was zum...?!" Eternia erstarrte mitten in der Bewegung. "Was macht diese Verrückte da?! Die reißt ja wohl nicht die Küche ab?!"
"Sinistra!" brüllte sie aus der Tür. "Was zum Teufel machst du da?!"

Das Gepolter hörte kurz auf. "Keine Sorge, alles läuft nach Plan!" ertönte es kurz darauf zurück. "Streich du nur in Ruhe weiter!"

Nach diesem Ausruf ging der Lärm weiter.

Eternia schluckte und ging zurück an die Arbeit. Was auch immer Sinistra da tat, es war nun eh zu spät sie aufzuhalten. Wenn sie tatsächlich den Boden aufriß, dann war er nun zerstört. Grimmig dachte Eternia sich, daß sie die Frau dann bluten lassen würde bis auf den letzten Cent für die Renovierung der Küche.

 

Dolltopia

Eternia brauchte eine knappe Stunde, um die gesamte Fläche zu streichen. So schnell war sie aber nur, weil das Knarren und Rumpeln nicht nachließ und sie unbedingt wissen wollte, was da los war. Sie war sich sogar sicher, daß seit einiger Zeit Gegenstände aus dem Küchenfenster in den Hinterhof mit den Mülltonnen transportiert wurden. Zwar war hier unten kein Fenster an der entsprechenden Stelle, aber durch die Wand hindurch waren deutlich dumpfe Geräusche zu hören gewesen, wenn wieder einmal etwas aufschlug.

Vor einigen Minuten nun hatte der Krach plötzlich aufgehört.

"So, das sieht doch gut aus! Selbst wenn Sinistra jetzt die Küche ruiniert hat, dieses Zimmer ist schön!" Eternia sah sich selbstgefällig um. Doch, sie hatte sehr gute Arbeit geleistet und nicht mal Farbspuren hinterlassen. 'Gekonnt ist eben gekonnt.' dachte sie mit einer Grimasse und stapfte dann wütend in die Küche hinauf.

 

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