Am Samstag der folgenden Woche bekam Jade beim Einkaufen eine SMS von Caleb.
'Heute abend läuft auf dem Klassiker-Kanal ein Ritterdrama, das sehr gut sein soll. Ich habe gerade keinen Fernseher, könnten wir den Film bei dir schauen oder paßt es dir nicht?'

Sie sagte ihm zu und schlug ihm vor etwas zu kochen, woraufhin er beteuerte bereits mit seiner Schwester zu Abend zu essen, sie könne jedoch gerne während des Films dinieren. Diese Antwort entlockte ihr ein Seufzen, wie so häufig.

Abends ließ sie ihn herein und meinte nach der Begrüßung: "Schade, daß du nicht mitessen möchtest. Eigentlich wäre das eine schöne Gelegenheit gewesen, um zu feiern."
"Feiern? Was ist dir denn Gutes widerfahren, Teuerste?" fragte er gespannt und setzte sich zunächst ihr gegenüber an den Eßtisch, da er sie beim Abendessen unterbrochen hatte und sie vor ihrem halbleeren Teller Platz nahm.
"Ich wurde wieder befördert! Jetzt bin ich Assistentin der Geschäftsleitung, dank deiner Nachhilfe in Sachen Logik!" Sie rollte mit den Augen und betonte ihren neuen Titel, als sei er etwas albernes.
"Mach dich nicht kleiner als du bist, Jade! Die Beförderung hast du dir selbst verdient. Meinen herzlichsten Glückwunsch!"
"Danke! Leider ist dabei ja nicht sehr viel herumgekommen außer noch mehr Arbeit. Dieselben Arbeitszeiten und nur 3$ mehr pro Stunde", meinte sie nachdenklich und schob sich eine Gabel mit Essen in den Mund.
Caleb machte eine abwinkende Geste. "Die 40 Stunden Woche wird dir leider erhalten bleiben, aber von nun an geht es bergauf mit der Bezahlung, du wirst es bei der nächsten Beförderung sehen."
"Wie machst du es nur, ständig Zeit zu haben, um vorbeizukommen oder auf Feste zu gehen?"
"Ich habe einen Teil der ausländischen Kunden übernommen und kann so des öfteren nachts arbeiten."
"Wow. Du gehst also, wenn wir uns mal in der Woche sehen, hinterher manchmal noch zur Arbeit? Und wann schläfst du?" Sie sah ihn mit großen Augen an.
Er lachte. "Keine Sorge, bislang funktioniert es ohne Probleme. Als CEO hat man auch noch so manche Strippe, die gezogen werden kann."
"CEO? Ich dachte, du seist Gebietsleiter."
"Du bist nicht die einzige, die ab und an befördert wird, Teuerste", verriet er mit einem Zwinkern.

Jade fiel fast die Gabel aus der Hand. "Das hätten wir doch feiern können! Wieso hast du nichts erzählt? Als CEO bist du ja ein richtig hohes Tier in der Firma! Wow!" Sie aß schnell weiter. "So viel Verantwortung!"
"Nach all den langweiligen Feiern in der Firma war es mir nun einmal lieber mit dir das Feuerwerk anzusehen."
"Hm. Das wäre aber zumindest einen Gratulations-Knuddler wert gewesen!"
"Oh, die Umarmungen pro Beförderung können wir natürlich gerne nachholen!"
Sie kicherte und fügte leise hinzu: "Da hätte ich auch endlich mal Gelegenheit gehabt mein Partykleid zu tragen."
"Das hättest du auch auf dem Flohmarkt tun können, du hast die Klientel dort ja selbst gesehen." Auch der junge Mann kicherte nun und sie tat so, als wolle sie eine Cocktailtomate nach ihm werfen, ehe sie sich die Frucht lachend in den Mund steckte.

"CEO! Ich kann es kaum fassen!" wiederholte Jade kopfschüttelnd und legte ihr Besteck nieder. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, was du für einen Streß hast! Das schlimmste, was mir in dieser Woche passiert ist, war eine Kundin, die mich völlig grundlos am Telefon zusammengeschrieen hat."
"Hast du aufgelegt?"
"Ach, ich hab sie noch beruhigt bekommen. War aber nicht einfach."
"Wie es scheint leistest du gute Arbeit."
"Es ist zwar komisch mit einem quasi Vorgesetzten darüber zu reden, aber ja, ich denke auch, sie sind zufrieden mit mir. Vorgestern wollte mich eine andere Firma abwerben!" verriet sie, woraufhin Caleb doch erstaunt dreinschaute. "Und was hast du getan?"
"Ich habe das abgelehnt. Bei dem Gedanken, die Firma so zu verlassen, war mir nicht wohl."
"Hm. Ich denke, ich hätte das Angebot angenommen, wenn es sich gelohnt hätte", gab er unumwunden zu.
"Mein Chef hat es aber gemerkt und mir daraufhin einen Bonus gezahlt. Als Dank für meine Treue."
"Oh! Dann halten sie tatsächlich große Stücke auf dich, du kannst stolz sein! Heißt das, du wirst dir jetzt neue Möbel kaufen?"
"Ehrlich gesagt habe ich mir etwas anderes bestellt." Jade lächelte verlegen, was den Vampir erst recht neugierig machte. "Und? Sag schon, was es ist."
"Eine E-Gitarre. Es dauert aber, bis sie kommt, sie wird für mich handgefertigt." Sie sah aus als schäume sie über vor Vorfreude, und er mußte lachen. "Meine Musik-Spinnerin..."

Es klopfte. Caleb zog eine Braue hoch. "Erwartest du noch jemanden?" - "Nein", antwortete sie schlicht und räumte ihr Geschirr zusammen, um es in die Küche zu bringen. Verwundert sah er ihr hinterher. "Willst du nicht nachsehen, wer es ist?"
"Nein." Diesmal war ihre Stimme fester. "Es ist nach neun. Um diese Zeit kommen nur... seltsame Gestalten."
Der Vampir sah zur Tür hinüber. Draußen stand ein Asiate mit roten Haaren und Jeansjacke, den Caleb gleich auf zweierlei Weise kannte, denn er arbeitete in derselben Firma wie er und Jade. Sein Name war Daichi, er war Hedgefont-Manager und ein Vampir. Caleb tat, als würde er ihn nicht bemerken, da es nicht an ihm war Gäste ins Haus zu lassen, fühlte sich aber schlecht dabei. Daher rief er in die Küche hinüber: "Was meinst du mit 'seltsame Gestalten'?"

"Ich weiß es selber nicht genau. Im Prinzip sind sie genauso wie dieser Wahnsinnige, der mich damals mit seinem Monster Make-up so erschreckt hat. Nach Einbruch der Dunkelheit klopfen manchmal Fremde." Jade kam aus der Küche zurück und bedeutete ihm, ihr zum Sofa zu folgen. Ehe der junge Mann der Aufforderung nachkam hob der junge Mann nun doch noch in ihrem Rücken die Hand, was Daichis Aufmerksamkeit erregte. Caleb gab ihm einen Wink zu verschwinden, was der andere zwar vermutlich als Anspruch auf Beute oder die Vorbereitung zu einem Techtelmechtel auffassen mochte, aber es wirkte und er zog ab. Erleichtert atmete Caleb auf und setzte sich zu Jade. Die Schwarzhaarige nippte an einem Glas Wasser und meinte: "Anfangs wollte ich diesen Leuten ja aufmachen, schließlich kam der beste Besucher aller Zeiten ja auch nach Sonnenuntergang." Sie zwinkerte ihm zu. "Aber die spinnen alle! Noch bevor ich die Tür aufmachen konnte hat mich jeder einzelne von ihnen angefaucht wie eine tollwütige Katze."

Caleb verzog das Gesicht. Zu fauchen und dabei die Fänge und Krallen zu strecken war ein Reflex, den kein Vampir auf Dauer unterdrücken konnte, ebensowenig wie ein Mensch ein Gähnen, und er tat bereits seit Wochen sein allerbestes Jade davon nichts mitbekommen zu lassen, um sie nicht zu erschrecken. Offenbar hatte er recht damit getan, dem Drang stets nur hinter ihrem Rücken oder in einem anderen Raum nachzugeben und dabei möglichst leise zu sein, und er mußte erfolgreich gewesen sein, da sie das Verhalten nicht mit ihm verband.
Als seine Freundin ihn nun ansah wischte er schnell alle Zweifel und negativen Gefühle von seinem Gesicht und blickte ihr aufmerksam entgegen. Sie meinte: "Seitdem ignoriere ich so späte Besucher und gehe nicht an die Tür, es sei denn ich erwarte dich. Hältst du mich deshalb für gemein?"
"Nicht doch. Ich halte dich für sehr vorsichtig. Es ist dein gutes Recht zu entscheiden, wen du empfängst und wen nicht, und es ist ohnehin ungehörig für fremde Männer nach Einbruch der Dunkelheit bei alleinstehenden Damen vorstellig zu werden." Wohl war ihm nicht dabei das zu sagen, da ihre Freundschaft ja durch ein unbeabsichtigtes Ignorieren dieser Regel entstanden war. "Allerdings muß es unangenehm sein zu wissen, daß man dich von draußen sieht, wenn du die Besucher ignorierst."
"Ja, ich habe schon über eine dieser Spiegelfolien nachgedacht, die man an die Scheibe kleben kann, um sie von einer Seite undurchsichtig zu machen. Dann käme tagsüber immer noch Licht in den Flur, aber ich hätte etwas mehr Privatsphäre. Es ist sowieso unangenehm, wenn ich mal eben vom Bad ins Schlafzimmer huschen will und draußen steht der Postbote oder irgendein Nachbar, während man nichts an hat! Wer hat bloß dieses Haus konstruiert!"
"Vermutlich hat der Bruder des Architekten einen Großhandel für Bademäntel", mutmaßte Caleb grinsend, worauf Jade ansprang. "Oder er ist der Vorsitzende vom örtlichen Nudistenclub!" - "Das kann nicht sein, den kenne ich persönlich und er hat keinen Bruder." Er sah so glaubhaft bei dieser Behauptung aus, daß Jade ihn zunächst anstarrte und ihn dann, als sie den Scherz erkannte, gegen den Arm schubste.

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