Beryls Laune war auf einem absoluten Tiefpunkt, als sie donnerstags von der Arbeit kam. Vor einigen Tagen war ihr ein junger, aufstrebender Guerilla-Straßenkünstler aufgefallen, der an ausrangierten Bahnwaggons arbeitete und es ihrer Meinung nach verdient hatte gefördert zu werden. Also hatte sie sich für ihn eingesetzt und ihm als Teil ihres Jobs die Mittel verschafft mehr Farbe zu kaufen, um sein Portfolio zu erweitern und auf eine erste Ausstellung hinzuarbeiten. Das hatte sie schon mehrfach für andere Nachwuchskünstler getan, und es war immer zu deren und Beryls Vorteil gewesen. Ihr sicheres Auge für junges Talent war einer der treibenden Faktoren für ihre häufigen Beförderungen.

Diesmal jedoch hatte sie aufs falsche Pferd gesetzt. Der Künstler hatte die von ihr bereitgestellten Mittel zwar in Material investiert, dann jedoch nicht an erlaubten Orten gesprüht, sondern drüben in Magnolia Promenades nicht nur Läden und haufenweise geparkte Autos beschmiert, sondern auch noch gleich die gesamte Fassade des Polizeireviers mit Graffitis verschandelt.
Mehrere Zeitungen hatten über das kaum zu übersehende Fiasko und die Sachbeschädigung berichtet, und als wenn es nicht schon schlimm genug gewesen wäre von ihren Vorgesetzten durch die Mangel gedreht worden zu sein, so hatte man auch noch ihren Namen und den der Galerie, für die sie arbeitete, in den Artikeln genannt.
Beryl war den ganzen Tag über entweder angeschrien oder heimlich von ihren Kollegen verspottet worden. Wo sie auch hinkam, Köpfe wurden zusammengesteckt und es wurde getuschelt.

Nun war sie furchtbar erschöpft und ebenso traurig. So gründlich hatte ihre Menschenkenntnis sie noch nie zuvor im Stich gelassen, und die Angelegenheit hatte ihrer Karriere empfindlich geschadet. Zwar konnte es immer einmal passieren, daß ein Künstler oder eine Künstlerin die Fördermittel mißbrauchte, um Drogen oder schlicht die Miete zu zahlen, oder jemand entpuppte sich als Eintagsfliege und lieferte unter Druck niemals wieder etwas ordentliches ab, einen derart öffentlichen Skandal wie dieses Mal hatte es aber schon lange nicht mehr gegeben, und noch nie während ihrer Anstellung. Um ein Haar hätte die Kasbah-Galerie die Kooperation mit ihrem Arbeitgeber aufgekündigt.

Die Rothaarige seufzte und schleppte sich kraftlos die Stufen zu ihrem Haus hinauf. Sie hatte die letzten Stunden damit verbracht Entschuldigungsschreiben an wichtige Personen aufzusetzen und bei der Polizei auszusagen. Es war ihr schwer gefallen die Polizeiwache zu betreten und sich nicht unter einem Schreibtisch zu verstecken vor Scham, nachdem sie an der Hauswand die barbusige Frau vor dem Regenbogen und das über einem gemalten Lagerfeuer röstende gelbe Einhorn gesehen hatte. Der Hausmeister, der bereits mit dem Übermalen beschäftigt war, hatte ihr giftige Blicke zugeworfen, und nicht einmal daß sie heute das offizielle Shirt des Romantikfestivals und Hot Pants trug und somit nicht mit Reizen geizte hatte ihr Pluspunkte einbringen können. 'Hoffentlich passiert schnell etwas neues, das das Interesse der Klatschblätter auf etwas anderes lenkt. Sonst werde ich noch endgültig zum Gespött der Leute.'

Sie überlegte, ob sie jemanden deswegen anrufen und sich ausweinen sollte. Aber wen? Keiner ihrer Freunde interessierte sich übermäßig für die Kunstwelt. Caleb, Thilo oder Jade würden sicher versuchen sie zu trösten, aber keiner von ihnen konnte sie wirklich verstehen. Zudem würde Jade über Caleb jammern, Thilo nach einem Date fragen oder hoffen, die Situation in einen Sketch verwandeln zu dürfen, und Caleb wollte sie gerade nicht sehen, da sie immer noch daran knabberte, auf dem Spaßfestival eine weitere Abfuhr bekommen zu haben. Travis konnte sie weiterhin nicht einschätzen. Am ehesten käme noch Summer in Frage, doch sicher würde dann Liberty früher oder später davon erfahren und sich genüßlich über sie totlachen, und außerdem kam Summer nicht mehr so oft vorbei, seit Beryl ihr versehentlich den Auflauf des Grauens serviert hatte.

Darüber hinaus mochte sie auch niemanden mit der Nase auf diesen Berg der Schande stoßen. Wenn sie richtig viel Glück hatte las keiner ihrer Freunde - außer Summer, vermutlich - die Klatschblätter, und diejenigen, die es doch taten, würden vielleicht zu höflich sein, um sie darauf anzusprechen. Nein, wenn es sich vermeiden ließ wollte sie nicht darüber mit Freunden sprechen, also würde sie schweigen und bangen Herzens abwarten, ob sie darauf angesprochen wurde. Wenn sie darüber reden wollte bot sich am ehesten ihr Therapeut an. Beryl holte ihr Handy heraus und schickte eine Terminanfrage heraus.

Dann setzte sie sich an den Rechner und bloggte ein wenig über ihre eigene Kunst und Kunst im Allgemeinen. Auch bei den bisher geförderten Künstlern sah sie auf deren Simstagrams vorbei und schaute sich an, was die Leute gerade machten. Sie bemühte sich, überall einige positive Kommentare zu hinterlassen, übte wo nötig ein wenig sachliche Kritik und machte sich anschließend auf Simpedia mit einigen neuen Kunsthandwerken vertraut, um auch diese besser einschätzen zu können. Falls ihr zum Beispiel einmal ein Künstler begegnen sollte, der sich mit Nudelkunst oder Lichtinstallationen beschäftigte, wollte sie sicherstellen aufgrund fundierter Kenntnisse nur gute Leute zu fördern. Es tat allerdings auch der Seele gut, einige positive Dinge zu sehen, die aus ihren Bemühungen entstanden waren.

Schließlich spielte sie noch ein wenig Sims Forever und schaffte es endlich, daß Sim-Beryl ihren 25. Liebhaber in der Stadt hatte. Sie schickte ihr virtuelles Ich zum Feiern in eine Disco und merkte wenig später, daß Jades virtuelles Ich ihr die Freundschaft gekündigt hatte. 'Hm... Ob das ein Fingerzeig des Schicksals ist? Wann haben wir zuletzt miteinander gesprochen?' überlegte sie. 'Ach was! Das Leben mag ein Spiel sein, aber kein so simples. Wenn Jade etwas interessantes zu erzählen hätte hätte ich schon von ihr gehört. Warum sollte ich ihr hinterherlaufen?' Sie kaufte Sim-Jade einen Wellensittich und einen Hamster, das war doch genau das, was die echte Jade ständig wollte. 'Thema erledigt!' So hatte sie auch keine Skrupel mehr, Sim-Caleb ganz für sich allein zu behalten. Allerdings war das nicht sehr befriedigend, denn er sah dem Original kein bißchen ähnlich. 'Ich wünschte, ich wäre besser im Modden und könnte selbst Kleidung erstellen!'
Beryl kicherte und spielte weiter.

Ehe sie sich's versah waren die Sorgen von der Arbeit erst einmal verpufft. Die Malerin stand auf, streckte sich und atmete tief durch. "So! Jetzt kümmere ich mich um meinen Garten, esse was und dann renne ich mir den letzten Ärger beim Joggen von der Seele!" Auf dem Weg zur Tür hinaus checkte sie noch einmal ihr Handy und stellte erleichtert fest, daß sich bislang keiner ihrer Freunde gemeldet hatte, obwohl die meisten von ihnen bereits Feierabend haben mußten. "Vielleicht hab ich ja Glück und es merkt wirklich keiner von ihnen. Kunstverächter haben halt auch ihre Vorteile!"
Sie lachte und griff nach der Gießkanne.

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