Endlich hatte Jade wenigstens die richtigen Worte dafür gefunden, wie sie ihm dies sagen konnte ohne ihm ein volles Geständnis zu machen. Es tat weh, und es tat noch mehr weh ihn verletzt zu sehen, aber dank dem Tee fiel es ihr ein wenig leichter, und es mußte einfach gesagt werden. "Wie ich schon sagte, ich spare meine Umarmungen jetzt für meinen Liebsten auf. Du bist mein allerbester Freund, aber umarmen darf mich nur noch, wer mehr von mir will als Freundschaft."
Sie sahen sich eine Weile an, sie traurig, er verwirrt.
Schließlich meinte er vorsichtig: "Dann... hast du also doch schon jemanden in der Hinterhand und hast deshalb hier für niemanden ein Auge gehabt?"
"Nein, es gibt noch niemanden!" Sein Beharren darauf, nichts zu verstehen, nervte sie. "Aber je länger wir so weitermachen, desto schwieriger würde es später Grenzen zu setzen. Und wie du selbst sagtest wirkt es abschreckend auf potentielle Interessenten, wenn wir einander so nahe sind. Wenn du nicht mit mir gehen willst, dann laß uns damit aufhören es für Außenstehende so aussehen zu lassen als ob, sonst finden wir beide niemals jemanden, okay?!" Sie tätschelte ihm die Hand und sah aus, als würde sie jeden Moment umfallen.

Nun hielt er ihre Hände und sah sie immer noch eigenartig an. Jade hatte die vage Hoffnung, daß er vielleicht doch selbst Interesse anmelden würde, aber der junge Mann blieb still. "Es ist in Ordnung, Jade Sparkle. Ich werde versuchen, mich an deine Grenze zu gewöhnen. Sei mir bitte nicht böse, wenn es nicht sofort zu hundert Prozent klappt, ja? Alte Angewohnheiten sind schwer abzulegen."
"Sag ich doch." Sie lächelte und kämpfte selbst gegen den Drang ihn zu umarmen. "Aber wir bleiben Freunde, oder?"
"Natürlich", versicherte er sofort, "Wie kannst du auch nur fragen?"
Er sah so niedergeschlagen aus, daß sie ihn auf die Wange küßte. "Danke, Caleb. Ich werde dich immer lieb haben."

Als sie von ihm zurücktrat wäre seine instinktive Reaktion um ein Haar die Scherzfrage gewesen, ob sie Umarmungen nun durch Küsse ersetzt hatte, aber er hielt den Mund und sah sie nur stumm an, während ein sehr seltsames Gefühl durch seinen Magen wütete.
In Jades Augen lag ein trauriger Ausdruck und sie schien erneut gegen Tränen anzukämpfen. "Entschuldige den Kuß, das ist noch der Tee, fürchte ich."
"Ist schon gut."
"Ich... geh mal eben und versuche etwas davon loszuwerden, okay."
Er nickte und sah ihr zu, wie sie zu den Toiletten verschwand.

'Was zum Teufel...'
Sein Handy meldete den Eingang einer SMS. Um sich abzulenken schaute er nach, von wem sie stammte. Beryl hatte ihm geschrieben und fragte an, ob er bei ihr vorbeikommen wolle. Caleb zog die Stirn kraus und textete zurück:
'Hast du vergessen, daß ich mit Jade auf dem Romantikfestival bin?'
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: 'Wie, du hast sie noch nicht vergrault? Respekt!'
Er seufzte. 'Ich überlege, sie heim zu bringen, sie hat zu viel Tee intus und benimmt sich abnormal.'
'Wie, abnormal?'
'Völlig konträr zu ihrem Charakter, sie ist liebestoll und fokussiert das auf mich.'
'Oh, prima! In der Nähe soll ein gutes Love Motel sein! Viel Spaß, ihr zwei!'

Caleb knirschte wütend mit den Zähnen und steckte das Handy weg, ohne erneut zu antworten. "Ich hätte es mir denken können!" Die Vermutung, daß Beryl hinter Jades Verhalten steckte, drängte sich nun geradezu auf.
Irgendetwas hatte Beryl ihr in den Kopf gesetzt, und die naive Jade folgte dem Spielplan ohne zu merken, wie gefährlich er war. Nur so machte das haarsträubende Verhalten seiner besten Freundin Sinn. Er glaubte ihr durchaus, daß sie ein Problem mit ihrem Liebesleben quälte, doch was den heutigen Abend anging vermutete er nun stark, daß Beryl sie beeinflußt hatte. Worum genau es ging war ihm nicht recht klar, ob Jade ein Date mit ihm als Abschreckung oder Köder für einen Mann vorschützen wollte, oder ob die Rothaarige ihr eingeredet hatte sie bräuchte mehr Erfahrung, um bei ihrem Schwarm eine Chance zu haben, und er sei eine sichere Wahl zum Üben. Jade war so schüchtern, daß er sich durchaus vorstellen konnte, daß sie nicht allzuviel Erfahrung in sexuellen Dingen hatte, und Beryl wiederum hatte von ihm offenbar den gegenteiligen Eindruck, womit sie auf gewisse Weise nicht daneben lag. Vielleicht hoffte sie sogar, ein Techtelmechtel mit Jade unter dem Einfluß des Tees würde seine moralische Position gegenüber belanglosem Sex aufweichen und ihn auf den Geschmack bringen es auch mit ihr zu versuchen.
Letzten Endes war es Caleb egal, was Beryl da intrigierte. Es zu ignorieren würde die beste Wirkung zeigen. Um Jade jedoch mußte er sich kümmern, damit sie sich das Fiasko dieses Abends nicht zu sehr zu Herzen nehmen würde.

Mit einem tiefen Seufzen ließ der Vampir sich wieder auf den Barhocker sinken. Die Mixerin kam herüber und sah ihn mitleidig an. "Na, Hübscher, bist du von deiner Freundin abserviert worden?" - "Sie ist nicht meine... ach." Er ignorierte die Frau, die sich achselzuckend ihrer anderen Kundschaft zuwandte, als er keinen weiteren Drink bestellte, und dachte darüber nach, was nun aus ihrer Freundschaft werden sollte. Sicher bestand ihre Verbindung nicht nur aus Umarmungen, aber sich die Komplimente verkneifen zu müssen war hart. Was bedeutete das für die Zukunft? Wenn er ihre Grenzen einhielt, würde Jade dann wieder wie früher werden, die lustige Spinnerin? Oder würden von nun an alle Abende mit ihr so langweilig und seltsam wie die letzten sein?
So zugedrogt, wie Jade von dem Tee schien, war heute wohl nicht der rechte Zeitpunkt, um das näher zu hinterfragen, zumal sie ja bereits in nüchternem Zustand nicht reden wollte.

Nachdenklich rieb er sich die Wange an der Stelle, an der sie ihn geküßt hatte. Es fühlte sich immer noch warm an, und diesen letzten Akt des heutigen Dramas verstand er am wenigsten. Wieso wollte Jade nicht mehr angefaßt werden? War sie so sehr verliebt, daß es ihr wie Verrat an ihrem Schwarm vorkam? Hatte er ihr gar mit einer unbedachten Umarmung die Chance auf einen interessanten Mann verdorben, ohne es zu wissen? Oder war ihr in letzter Zeit etwas passiert? Hatte sie jemand belästigt und das war es, was ihre Stimmung so sehr drückte? Aber würde sie sich in dem Fall nicht viel mehr zu Hause verkriechen anstatt auf ein Flirt-Fest zu gehen? War gar er das Problem? Hatte sie die Umarmungen nie gemocht und den Widerwillen in sich angestaut, bis es aus ihr herausgebrochen war? Es wäre sehr traurig, wenn das der Grund war, denn er hätte sich gewünscht, daß sie in dem Fall früher etwas gesagt hätte. Irgendetwas störte ihn enorm an der ganzen Sache, aber er konnte noch nicht den Finger darauf legen, was es war. 

Er konnte aus ihrem Verhalten weiterhin nicht einmal ableiten, ob nun sie das Ziel einer unerwünschten Annäherung war oder ob sie selbst unglücklich verliebt war. Wieso konnte sie nicht einfach mit ihm reden und ihm erklären, was Sache war? Es entnervte ihn unsäglich, ihr kein guter Freund sein zu können, weil er nicht wußte, was Jade gerade brauchte! Herrje, würden die nächsten Wochen schwer werden ohne jegliche Knuddler von Jade Sparkle! Konnte man sich daran überhaupt gewöhnen?
Mit einem Grummeln ging er zum Karaoke hinüber und sah sich den Auftritt einer Frau an, die es nicht ganz so schlecht machte wie ihre Vorgänger.

"Ach nein, ist er schon wieder weg?!" Zwar hatte sie etwas länger gebraucht, um sich auf den Toiletten wieder zu fangen, doch Jade war kurz davor einen Anfall zu bekommen, als sie zur Bar zurückkehrte und ihr Begleiter erneut nicht zu sehen war. Diesmal allerdings erspähte sie ihn nur wenige Meter weiter an der Bühne. Sie atmete tief durch. Das war das schlimmste Gespräch gewesen, das sie jemals hatte führen müssen, aber was hätte sie tun sollen? In der Mauer von Desinteresse, die ihn umgab, schien es nicht die kleinste Lücke zu geben. Sie waren auf dem Romantikfestival! Er hätte jederzeit selbst einen Versuch machen können sie zu umwerben, sie hatte ihm sogar mehrere Stichpunkte hingeworfen, aber nichts. Nichts außer den Komplimenten, die sie inzwischen nur noch traurig machten.
Doch auch wenn ihr Kopf verstand, ihr Herz schmerzte als wolle es zerplatzen. Hoffentlich würde etwas mehr Abstand ihr auf Dauer helfen über ihre Gefühle hinwegzukommen.

Sie ging zu ihm hinüber und hörte kurz zu. "Nette Show!"
"Ja, der Wettbewerb ist tatsächlich inzwischen recht spannend."
"Wie ist es nun, wollen wir uns die Laternen noch ansehen oder nicht? Jetzt ist es richtig dunkel."
Er sah nicht sehr begeistert aus von der Idee und schielte zur Bühne hinüber, wo ein neuer Kandidat zu singen anfing. "Magst du dir nicht erst das Ende des Karaokewettbewerbs mit mir anhören?"
"Nein, das Festival ist fast vorbei und ich möchte die Laternen nicht verpassen. Dann gehe ich allein."
"Bist du sicher?"
"Ja, klar. Es sind ja nur Laternen."


Caleb sah sie abschätzend an. Jade schien wieder besser zurecht zu sein. Ihre Augen waren klarer, sie schwankte nicht mehr und das Glühen war ein wenig abgeflaut. Dafür sah sie nun aus, als könne sie ein wenig Alleinsein gebrauchen, und er selbst brauchte ebenfalls einen Moment. Es schienen ohnehin fast alle Besucher des Festes inzwischen in die Bar zu strömen, so daß es hier drinnen gefährlicher für sie war als draußen. "Ich komme in 20 Minuten nach, in Ordnung? Bis dahin ist es sicher noch nicht vorbei."
"Wie du meinst, Caleb."

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