Caleb überquerte die Straße und sah über die Schulter zurück. Summer ging gerade ins Haus. Es war anständig von ihr, nicht zu glotzen. Für jemanden, der angeblich nicht den Nachbarn hinterherspionierte, schien sie ihm ein wenig zu gut informiert über Jades Tagesabläufe, aber er hatte sowohl sie wie auch Travis als äußerst sympathisch empfunden.

Der Vampir trat leise auf die Veranda und beobachtete seine Freundin, die Unkraut jätend vor dem Pflanztopf kniete und ein leises Lied summte.
"Guten Abend, Jade!" grüßte er vorsichtig.
Sie fuhr trotzdem zusammen, wirbelte in der Hocke herum und landete auf dem Hosenboden. "Meine Güte, Caleb! Hast du mich jetzt erschreckt!" rief sie.
"Das tut mir leid!" meinte er zerknirscht, doch sie schüttelte bereits den Kopf und lachte. "Schon gut! Was machst du hier, um diese Zeit?" Sie winkte ab, als er ihr helfend die Hand entgegenstreckte, stand alleine auf und wischte sich den Dreck von den Fingern.
"Ich war bei deinen Nachbarn zu Besuch und sah dich hier arbeiten, als ich gerade gehen wollte."
"Oh! Du warst bei Summer?"
"Und bei Travis. Aber ich schwöre, ich habe nicht mit Liberty geplaudert!" versprach er mit gespielt großem Ernst und hob die Hand zum Schwur.
Sie grinste. "Möchtest du noch auf ein Schwätzchen mit hereinkommen?"
"Sehr gerne, wenn ich darf."
"Na, komm schon mit! Ich muß mir nur eben die Hände waschen."

Sie betraten das Haus. Als sie ins Bad abbog blieb er stehen, seine Augen auf einen neuen Gegenstand gerichtet, der gegenüber dem Bad an der Wand stand. "Wie ich sehe ist deine neue Gitarre fertig."
"Das war sie bei deinem letzten Besuch schon." Jade trocknete sich grinsend die Hände ab und trat zu ihm.
Caleb sah sie erstaunt an. "Wirklich? Es tut mir leid, sie fiel mir gerade zum ersten Mal auf."
"Kein Problem! Es ist eine Gitarre, und du bist kein Musiker. Da kannst du meinen neuen Schatz leicht übersehen!"
"Aber es ist eine elektrische Gitarre, und sie sieht völlig anders aus als deine andere."
"Gut erkannt, Sherlock!"
"Es ist schon eine Weile her, seit du mir etwas vorgespielt hast."
"Das stimmt", stimmte sie zu und schaute ihn abwartend an, weil sie ahnte, was er fragen würde. Oder zumindest schien sie es zu hoffen. Er enttäuschte sie nicht. "Wäre es vermessen, nach einem Ständchen zu fragen?"
"Okay!"
"Wirklich?"
"Für dich doch immer, Caleb!" Sie ergriff die Gitarre, hängte sich den Gurt um und begann zu spielen.

Ihr Vortrag begann als Rocksong, der langsam in eine Ballade überging. Caleb erkannte das Lied als einen Hit einer ihrer Lieblingsbands, aber Jades instrumentale Version war so voller Leidenschaft, daß er ihre Liebe zur Musik nicht nur hören, sondern bis in die Knochen spüren konnte. Der Vampir bekam eine Gänsehaut.
"Jade... das ist fantastisch! Du spielst inzwischen sehr viel besser als all die Straßenmusikanten."
Sie reagierte mit einem blitzenden Blick, ohne sich jedoch vom Spielen ablenken zu lassen. "Danke! Ich übe auch mehrere Stunden am Tag."

Auf einmal wurde Calebs Blick jedoch von ihren Füßen angezogen. Um Jades Knöchel hatte sich deutlich sichtbar eine dunkle Wolke gebildet, ähnlich seiner Rauchgestalt, die sie kreisförmig umspielte. "Ähm... woher kommt die Rauchwolke um deine Füße?" fragte er ein wenig schockiert, doch Jade zog nur eine Grimasse. "Ich habe keine Ahnung! Das muß ein Spezialeffekt sein, es passiert immer, wenn ich die Gitarre benutze!"
Ihm fehlten die Worte, doch da ihr nichts zu passieren schien beschloß er es zu ignorieren und konzentrierte sich wieder auf ihr Spiel, was nicht schwer war.

Als sie endete applaudierte er spontan. "Jade, ich weiß, ich sage das nicht oft genug, doch du bist eine fantastische Künstlerin! Du solltest das zu deinem Beruf machen!"
"Ah, nein. Ich spiele wirklich gerne für Freunde, aber ich bin nicht zur Rampensau geschaffen."
"Du mußt ja nicht gleich anstreben Frontfrau einer Death Metal Band zu werden! Sicher gibt es doch auch Sparten, in denen du weniger... aggressiv auftreten müßtest, oder was meinst du mit 'Rampensau'?" konterte er, da er vermutete, daß sie mit dem Begriff 'Freunde' nur ihn meinte. Mehr Leute sollten ihr Talent genießen können.

"Man muß sich auf einer Bühne nun einmal wohl fühlen, um Erfolg zu haben, und das tue ich nicht. Aber es ist okay so, wirklich." Sie lachte traurig, stellte die Gitarre weg und ließ sich seufzend am Eßtisch nieder. Als er sich ihr gegenüber setzte und zunächst mit ihr lachte stahl sich wieder diese seltsame Traurigkeit in ihren Blick. Es kam ihm vor als sehe er in einen Spiegel, denn ehrlich glücklich schaute er selbst sicher auch nicht drein. "Normalerweise hätte ich dich nun zum Dank für das Lied umarmt", stellte er etwas hilflos fest.
Sein Gegenüber lächelte nun wieder. "Ich weiß."
"Womit kann ich jetzt meine Dankbarkeit ausdrücken?"
"Du hast es doch soeben sehr eloquent mit Worten getan. Danke für das Kompliment, Caleb."

Der Vampir sah sie lange an. "Bitte verzeih meine Wortwahl, aber verdammt, Jade, es fehlt mir so, dich zu drücken."
"Mir auch", gab sie zu.
Er starrte auf seine Hände hinab. "Können wir nicht eine Ausnahme machen? Ich verkneife mir auch alle Sprüche, ich verspreche es!"
"Besser nicht." Jade rieb sich müde über die Augen und der junge Mann fühlte einen Anflug von kindischem Trotz über sich kommen. "Es ist dämlich, einen nicht vorhandenen Galan nicht beunruhigen zu wollen!" schimpfte er.
"Caleb..."
"Deine Nachbarn umarmen sich auch, weißt du?"
Auch seinem zweiten Versuch entgegnete die Schwarzhaarige mit einem geduldigen Lächeln. "Wenn du sie noch ein paar Mal besuchst wird Summer dich bestimmt auch umarmen, bei mir ist sie vermutlich schon kurz davor. Also, wenn es dir so sehr fehlt... Streng dich an!"

"Ich wußte gar nicht, daß du so gemein sein kannst!" platzte es fassungslos aus ihm heraus.
"Weil ich gerade nicht angefaßt werden möchte, bin ich gemein?"
"Nein, weil du dich über mich lustig machst! Erst willst du dich mir nicht mehr anvertrauen bei Problemen, dann willst du nicht mehr berührt werden, und jetzt sprichst du davon mich an deine Nachbarin abtreten zu wollen, nur weil ich nicht begreife, was in dir vorgeht? Jade, du stößt mich immer weiter von dir fort, und ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe."
Prompt stand Jade auf und trat mit zwei schnellen Schritten neben ihn. Als sie ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter legte sah er düster zu ihr auf. "Du hast nichts falsch gemacht, und du bist immer noch mein bester Freund, Caleb. Wenn es so klang, als wolle ich mich über dich lustig machen, dann tut es mir sehr, sehr leid. Wirklich. Ich liebe es, dir auf der Gitarre vorzuspielen. Ich fand es super, mit dir ins Kino zu gehen. Ich kann den ganzen Tag mit dir über Bücher und Filme plaudern, und ich spiele mit dir Schach, so oft du nur willst, und begleite dich auf jeden Flohmarkt. Genügt das nicht?"

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