"Das gibt es doch nicht, daß auf diesem Romantikfestival schon wieder keiner rumhing, mit dem man was anfangen könnte! Wo versteckt diese Stadt nur ihre gut aussehenden Typen?!" Beryl kam seufzend nach Hause. Der Abend war ein totaler Reinfall gewesen, und sie wünschte sich, sie wäre doch einfach in eine Bar gegangen oder hätte länger mit Jade herumgehangen. Hätte sie nicht nach Ende des Festes zufällig einen Obststand entdeckt, an dem sie neue Sorten kaufen konnte, die sie in ihrem Garten anzupflanzen gedachte, wäre der Tag eine totale Pleite gewesen.
So steckte sie das Obst erst einmal in den Kühlschrank und überlegte sich, ob sie Geige spielen sollte oder doch nur vor dem Fernseher herumvegetieren. Sie hatte Jade zweimal angerufen, doch es sprang nur die Mailbox an. Vermutlich schlief ihre Freundin bereits.

"Teufel auch, es stinkt hier ja erbärmlich! Wieso tut er sich das nun wieder an?!" schimpfte Lilith gequält, als sie sich widerwillig Beryls Treppe hinaufschleppte und an die Tür klopfte. Jetzt verschwand ihr Bruder nicht nur ständig zu dieser Jade, sondern auch noch hierher. Sie würde sich die Menschenfrau mal ansehen, schließlich hatte er ihr nur den Kontakt zu Jade Sparkle untersagt.
"Verdammter Knoblauch!" Ihr wurde übel. War das irgendeine perverse Form von Selbstbestrafung, daß Caleb hierher kam? Wo blieb die Frau nur?

Sie gewahrte eine Bewegung hinter einem kleinen Fenster. Anscheinend hatte man sie zunächst begutachtet. Lilith hörte Schritte, dann wurde die Tür geöffnet. "Guten Abend! Ich bin Beryl, und mit wem habe ich so spät das Vergnügen?" fragte eine forsche rothaarige Frau mit einem breiten, geschäftsmäßigen Grinsen im Gesicht.
Die Vampirin begutachtete sie von oben bis unten und bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen wie sehr ihr der Knoblauch zusetzte. "Hallo. Ich bin Lilith. Darf ich hereinkommen?"
Beryl horchte auf, als sie den Namen hörte. Konnte das möglich sein? "Sicher, Lilith, komm rein."

Die Fremde betrat das Haus und blieb hinter der Tür stehen, um sich umzusehen. Beryl drehte ihr absichtlich kurz den Rücken zu und tat so, als würde sie in die Küche verschwinden wollen. Prompt hörte sie hinter sich ein Fauchen. Sie fuhr auf dem Absatz herum und sah die Fänge und Krallen der scheinbar jungen Frau mit den glatten schwarzen Haaren. Dieses Fauchen gab Caleb ab und an auch von sich, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Beryl hielt es für ein Strecken der Fangzähne oder eine Art... vampirisches Gähnen. Sie sah ihre Besucherin triumphierend an. "Ah, damit dürfte die Frage geklärt sein, ob du wirklich Calebs Schwester bist. Du bist doch Lilith Vatore, oder?"
"Du... du weißt...?" Die Vampirin starrte sie einen Moment lang an, ehe sie sich fing und wieder eine hochnäsige Miene aufsetzte, doch die Rothaarige grinste nur. "Zwei Vampire namens Lilith wird es in der Stadt wohl nicht geben, oder? Freut mich, dich kennenzulernen, aber du wirst dich hier genauso gut benehmen wie Caleb, da sind wir uns einig, nicht wahr? Ich warne dich, ich habe auch im Haus Knoblauch, und wenn du mich beißt weiß dein Bruder schneller davon als du mein Blut verdauen kannst."

Drohte ihr dieser Mensch tatsächlich gerade mit dem Finger? Der Vampirin klappte fast die Kinnlade herunter. "Du bist ziemlich dreist, Mensch. Anzunehmen, ich hätte Angst vor meinem kleinen Bruder, könnte sich als schwerer Fehler erweisen."
"Hah, 'dreist' ist mein zweiter Vorname, da kannst du jeden fragen!" Beryl winkte ab und lachte, was Lilith ein widerwilliges Lächeln entlockte. "Ich glaube, ich mag dich. Du bist lustiger als diese Jade, trotz der Gestankwolke, die dein Haus umgibt."
"Gemecker über Jade verbitte ich mir. Sie ist eine süße Person, und wenn jemand sie schlecht macht bekomme ich miese Laune. Ich hatte einen echt grauenhaften Abend, also willst du mich nicht auch noch mit mieser Laune erleben, glaube mir", drohte die Gastgeberin in freundlichem Plauderton.
"Pah, du klingst schon wie mein Bruder. Was findet ihr nur alle an diesem Pf... Ach, schon gut."
"Ja, laß uns lieber von etwas anderem reden! Von dir, zum Beispiel! So, du bist also die ältere Schwester. Wie aufregend, dich endlich mal kennenzulernen! Was führt dich denn her?"
"Caleb ist bei der Arbeit. Mir war langweilig."
"Aw, niemandem sollte an einem Wochenende langweilig sein! Ich kenne das Problem, Schwester! Magst du einen Rotwein, oder ist das kein Vampirding?"
"Kein Menschenessen für mich, danke."
"Ach, immer muß ich alleine trinken. Dein Bruder ist auch so ein furchtbarer Abstinenzler. Wollen wir uns wenigstens setzen?"
Lilith blinzelte überrascht. "Okay. Aber Caleb trinkt sehr wohl Alkohol."
"Tatsächlich? Nur mit mir nicht? Na, der kriegt demnächst was zu hören." Beryl jubelte innerlich. Was für eine Gelegenheit sich ihr heute doch bot!

Sie setzten sich aufs Sofa und tauschten einige mehr oder weniger höfliche Nettigkeiten aus, während Lilith die Umgebung prüfte. "Du bist nicht sehr reich, oder?" fragte sie schließlich.
"Ha ha. Ich wohne noch nicht lange hier und mußte mein Leben neu aufbauen. In einigen Monaten wird das hier schon anders aussehen."
"Wir sind auch erst vor einem Jahr hergekommen, aber unser Haus ist schöner."
"Ihr hattet wohl auch ein wenig mehr Zeit, um Vermögen aufzubauen, nicht wahr? Wie alt bist du eigentlich, Lilith?" wollte Beryl wissen, woraufhin ihr Gast sie zunächst nur stumm ansah, ehe doch noch die Antwort kam: "Ich dachte, es sei auch heute noch unfein, eine Frau nach ihrem Alter zu fragen. Laut meinem gefälschten Ausweis bin ich 24."
"Unter Mädels gibt es keine Geheimnisse. Wieso muß ich das in dieser Stadt eigentlich jeder Frau erst erklären?" Die Rothaarige warf in gespielter Verzweiflung die Arme hoch und behielt ihr Grinsen bei. "Schön. Arbeitest du, oder darf ich das auch nicht fragen?"
"Ich habe mich bei der Raumfahrtbehörde beworben und vor einigen Wochen angefangen."
"Wow! Vampire im Weltraum, das klingt wie ein spannender Thriller! Als was arbeitest du dort?"
"Momentan bin ich Modulreinigerin."
"Oh. Putztrupp. Da war ich vor kurzem auch noch. Das geht vorbei", versuchte sie die Vampirin aufzubauen.
"Ist mir bewußt."
"Wieso habe ich dich bislang nicht zu Gesicht bekommen? Du hättest Caleb doch mal begleiten können."
"Er hat mir verboten, seine Freunde anzusprechen."

Die beiden Frauen sahen sich gleichermaßen selbstbewußt wie abschätzend an. "Du läßt dir nicht die Butter vom Brot nehmen, das gefällt mir", meinte Beryl bewundernd, woraufhin Lilith sagte: "Und du läßt dich nicht von Vampiren einschüchtern, das gefällt mir."
Beide grinsten, bis die Vampirin meinte: "In deinem Fall kann ich fast verstehen, wieso Caleb mit dir befreundet sein will."
"Das ist sehr nett von dir, aber ich wiederum kann auch verstehen, wieso Jade vor dir Angst hatte."
"Hast du keine Angst?" fragte Lilith, die sich nicht damit abgab der Frau zu versichern, daß sie nichts zu befürchten hätte. Sie sagte keine Dinge, die sie nicht so meinte.
"Nein, sollte ich? Ich habe nicht einmal mehr vorm Mumienfürst Angst, also erst recht nicht vor dir!"
"Vor wem?"
"Ach, Caleb hat mal gesagt, wie er wirklich heißt... Strass? Strauss?"
"Straud. Vladislaus Straud. Er ist ein Idiot."
"Darauf können wir uns einigen! Bislang waren alle anderen Vampire, die ich getroffen habe, genauso nett wie die meisten Menschen."
"Du findest mich nett? Ich glaube, ich muß gehen."
"Ha ha ha, du bist so witzig, Lilith!" Beryl kicherte.
Die Vampirin starrte sie wortlos an.

Ein leicht unbehagliches Schweigen trat ein, bis die Frau schließlich fragte: "Du und Caleb lebt also zusammen. Wieso eigentlich?"
"Wir haben niemanden außer uns. Mehr ist von unserer Familie nicht übrig, und Familie hält zusammen." - "Ihr kommt aus Italien, nicht wahr?" fragte Beryl, was ihr Gegenüber mit einem Nicken beantwortete. Die Vampirin holte weiter aus: "Wir sind durch viele Länder gezogen und haben versucht uns niederzulassen, aber irgendwann wurden wir immer von den Menschen verjagt, entweder aktiv aus Haß, oder passiv, indem sie uns so sehr fürchteten, daß wir gegangen sind. Caleb ist... in dem Punkt etwas empfindlich."
"Das tut mir leid zu hören! Ich drücke euch die Daumen, daß es diesmal anders wird. An mir soll es jedenfalls nicht liegen! Aber stört es dich denn nicht, wenn die Menschen dich nicht mögen?"
"Nicht sonderlich."
"Außer wenn dir langweilig ist", meinte Beryl unschuldig und legte den Finger mitten in die Wunde. In Liliths Augen blitzte es. "Halte dich nicht für wichtig, Mensch. Ich hätte auch jagen gehen können, aber ich will wissen, mit was für Gestalten sich mein Bruder herumtreibt."
"Jagen? Lebst du denn nicht von Spenden wie er?"
"Spenden! So nennt er das, was er tut?" Die Vampirin begann auf eine Art zu lächeln, bei der es der Rothaarigen nun doch kalt den Rücken hinunterzulaufen begann. "Solltest du glauben, daß ich so ein Weichei sei wie er, muß ich dich korrigieren." - "Äh... Weichei?" - "Caleb plagt sich seit Jahrzehnten mit Schuldgefühlen wegen euch Menschen herum, ach, was rede ich, eigentlich schon länger als sein halbes Unleben. In letzter Zeit nimmt sein Unwille Blut zu saugen extreme Formen an, mit denen ich nicht einverstanden bin."
"Und was willst du?"
"Ich strebe danach die Familie zu vergrößern. Neue Vampire auszubilden ist mein Ziel!" Sie bleckte ihre Zähne, die erstaunlicherweise allerdings nicht spitz waren. Hatte Beryl sich die Fänge nur eingebildet?
"Whoa! Du suchst Freiwillige, die du verwandeln kannst?" fuhr Beryl erschrocken auf, was die andere auflachen ließ. "Es müssen nicht unbedingt Freiwillige sein, auch wenn es die Sache vereinfacht."
"Danke für das Angebot, aber für den Moment ein klares nein, danke!"
"Bist du sicher?" fragte Lilith, und in ihre dunkle Stimme schlich sich ein düsteres Verlangen, als sie Beryl am Kinn nahm. Ganz deutlich war zu sehen, wie in ihrem leicht geöffneten Mund nun doch Fänge wuchsen - und zwar im Unterkiefer genauso wie oben, was ihr Ähnlichkeit mit einer Schlange verlieh. "Du bist hübsch für einen Menschen. Wie schön du erst als Vampir wärst..."
Ihr Gesicht näherte sich dem der Frau, die sich nun mehr als unbehaglich fühlte. Sie wich zurück und stand auf. "Tut mir leid, ich stehe nicht auf Frauen. Und auch nicht auf Blut, ich bin Vegetarierin."
Lilith fauchte, weil es ihrem Gegenüber gelungen war den Zauber abzuwehren. Die Rothaarige straffte die Schultern. "Ich denke, ich muß jetzt langsam ins Bett. War nett dich zu treffen, Lilith, aber bitte geh jetzt."
Die Vampirin erhob sich ebenfalls und sah sie kühl an. "Vielleicht habe ich mich doch in dir getäuscht. So lustig bist du nicht." Sie schnaubte und ging ohne ein weiteres Wort.

Kaum war sie gegangen schloß Beryl die Tür ab, sprintete in ihr Schlafzimmer und holte den zweiten Knoblauchkranz hervor, den sie an den Bettpfosten hängte. Sie hatte keine Ahnung, was sie von dieser Begegnung halten sollte. Erst war Lilith ihr wirklich sehr nett vorgekommen, aber das gerade... "Oh mann! Wenn Jade das mit 'ruppig' meinte, war sie aber sehr dezent!"

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