Donnerstag Abend. Die Zeit war quälend langsam vergangen, und Caleb platzte schier vor Ungeduld Jade wiederzusehen. Er hatte das Wochenende notgedrungen ebenfalls mit Papierkram für die Arbeit verbracht, da er nicht die nötige Muße aufbrachte sich mit jemand anderem als Lilith zu beschäftigen. Es wäre ihm unmöglich gewesen vor ihren Bekannten und Freunden nicht damit herauszusprudeln, daß Jade Sparkle Interesse an ihm hatte, und das wollte er auf keinen Fall tun, solange sie nicht beide besser wußten, woran sie waren. Gerade jetzt so ausgebremst zu werden war ärgerlich, obwohl es ihm auch mehr Zeit gab nachzudenken und sich an den Gedanken zu gewöhnen seine Zeit mit ihr nicht nur freundschaftlich zu verbringen. Der Vampir war furchtbar gespannt zu sehen, wie sie sich bei ihrem nächsten Treffen verhalten würde. Dennoch hatte er ihr zunächst Zeit lassen wollen ihre Geigenstunden zu Ende zu bringen, so schwer es auch fiel. Jade war dem Augenschein nach nicht gerade mit Geld gesegnet und sollte nicht seinetwegen ihre bezahlten Lehrstunden verfallen lassen. Zudem hatte sie zwar angekündigt, Mitte der Woche fertig zu sein, als CEO wußte er inzwischen allerdings, daß sie in dieser Woche befördert worden war. Also würde er ihr noch etwas Zeit zum Ausruhen und Eingewöhnen in den neuen Tätigkeitsbereich geben und am Wochenende bei ihr auf der Matte stehen.

Da ihm daheim die Decke auf den Kopf fiel hatte er sich zur Überbrückung entschlossen jemand neuen kennenzulernen. Mit einem Fremden hätte er genug Gesprächsstoff ohne auf seine Beziehung zu Jade zu sprechen zu kommen. So der Plan. Daher hatte er am Dienstag und Mittwoch bereits versucht Thilo Brighton zu besuchen, hatte ihn jedoch immer verpaßt. Vermutlich war der Komiker entweder aus, um Besorgungen zu machen, oder er war bereits bei Beryl, wenn Caleb geklopft hatte. Also hatte er sich darauf verlegt es heute einfach nach der Schicht des Fremden zu versuchen und wartete seit geraumer Zeit mit einem guten Buch auf einer schlichten Holzbank in dessen Garten, weil er nicht wußte, um welche Zeit Thilo Feierabend hatte.

Die Lektüre fesselte ihn so sehr, daß der Vampir die Bewegung auf der Straße um ein Haar verpaßt hätte, doch als es bereits auf Mitternacht zuging ließ ein leises Quietschen ihn aufsehen. Ein junger, blonder Mann sah soeben in den Briefkasten. Das mußte Beryls Nachbar sein. 'Anderenfalls erwische ich hier soeben einen Postdieb.' Belustigt steckte er das Buch ein und sprang auf, denn als sich keine Briefe fanden schien Thilo sich anzuschicken trotz der späten Stunde schnurstracks über die Straße zu Beryl zu verschwinden.

"Hallo, guten Abend!" grüßte der Vampir den Mann fröhlich, welcher zunächst zusammenzuckte und anschließend bei seinem Anblick unsicher die Stirn kraus zog. "Ähm... hallo?"
"Welch ein Glück, daß ich dich diesmal nicht verpaßt habe! Du bist doch Thilo Brighton, wie ich annehme?"
"Beim Rasieren heute morgen war ich’s noch. Weiß ich auch, wer da in meinem Garten auf mich gelauert hat?" fragte der Blondschopf irritiert. Der Fremde war ihm nicht ganz geheuer. Es kam nicht alle Tage vor, daß ein bleicher Goth nachts in seinem Garten campierte und auf ihn wartete. War das ein Fan?

Caleb merkte, daß er den Komiker auf dem falschen Fuß erwischt hatte. Er lächelte aufmunternd und bemühte sich, die Situation nicht ins Unangenehme abgleiten zu lassen. "Verzeihung, wie unhöflich von mir! Mein Name ist Caleb Vatore. Nachdem ich dich mehrere Male nicht angetroffen habe erlaubte ich mir heute die Freiheit auf deiner Bank zu warten. Ich hoffe, das stört dich nicht."
"Verstehe. Bist du Geldeintreiber oder sowas? Welche Rechnung hab ich vergessen?"
"Ha ha ha! Beryl hatte Recht, als sie dich als sehr lustig bezeichnete!"

Thilo, der es nicht im Scherz gemeint hatte, horchte auf und schüttelte reflexartig die ihm hingehaltene Hand, die sehr kühl war. "Ach, Beryl schickt dich?"
"Sie sagte, du wollest ihre Freunde kennenlernen. Nun, hier bin ich! Freut mich, Thilo!"
"Gleichfalls! Hi, Caleb, und sorry, daß ich dich nicht einordnen konnte!" Der Komiker war schlagartig voller Energie.

"Wie solltest du auch? Es ist zudem eine ungewöhnliche Uhrzeit für einen Höflichkeitsbesuch, das gebe ich zu."
"Mir ist nicht ganz klar, warum Beryl uns nicht einander vorgestellt hat, ich war an den letzten Abenden doch ständig bei ihr."
"Sie hat gedroht mir den Kopf abzureißen, sollte ich eure traute Zweisamkeit stören, daher habe ich stets versucht dich hier allein anzutreffen", verriet der Vampir seinem Gegenüber mit einem verschmitzten Grinsen.

Der Blondschopf lachte schief. Immerhin schien die Rothaarige ihn und ihr gemeinsames Verhältnis nicht mehr zu verschweigen. Das gefiel ihm, aber dieser Typ war immer noch seltsam. "Verstehe! Das klingt wirklich ganz nach ihr. Und... ähm... wie stehst du zu Beryl? Seid ihr verwandt oder sowas?"
"Wir sind seit einigen Monaten befreundet."
"Und vorher?"
"Vorher waren wir... Fremde?" Der Vampir stutzte kurz, ehe ihm klar wurde, worum es ging. Er empfand es als unangenehm, direkt in ein Gespräch über Beziehungen zu stolpern, aber das ließ sich wohl nicht verhindern angesichts der Person, über die sie sich kennenlernten.
"Oh! Nein, nein, nein! Zwischen Beryl und mir ist rein gar nichts."
"Ach, echt?"
"Mein Wort darauf! Um der Wahrheit die Ehre zu geben macht sie sich manchmal einen Spaß daraus mich mit dem einen oder anderen Anmachspruch in Verlegenheit bringen zu wollen, aber das beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Ich würde mich unheimlich freuen, wenn sie jemanden findet, mit dem sie auf lange Zeit glücklich ist. Als sie mir vor einigen Tagen endlich deinen Namen verriet hat sie sehr wohlwollend von dir gesprochen, daher war ich ja so begierig darauf dich kennenzulernen."

"Wirklich, hat sie das?" Thilos Augen leuchteten auf, und sein Gegenüber nickte bekräftigend. "Allerdings hat sie das!"
"Spricht sie auch von anderen Männern?"
"Eigentlich nur über die, die ihr schon beim ersten Blick nicht gefallen. Ich denke, ich plaudere nicht zu sehr aus dem Nähkästchen, wenn ich dir sage, daß sie mir gegenüber nur dich positiv erwähnt hat. Da ihr Liebesleben und das ihrer Mitmenschen oftmals ihr Lieblingsthema zu sein scheint würde ich annehmen, sie hätte es erwähnt, wenn es noch andere Kandidaten gäbe."
"Um dich eifersüchtig zu machen?"
"Vielleicht, aber das ist vergebene Liebesmüh. Sie und ich funktionieren nur als Freunde." Der Vampir war bester Laune, obwohl die Fragen des anderen eigentlich recht unverschämt waren. Thilo sah tatsächlich gut aus, er war nicht auf den Kopf gefallen, und er schien überaus interessiert daran der einzige zu sein, der Beryl den Hof machte. Dieser junge Mensch würde die Malerin doch sicher für lange Zeit beschäftigen können!

"Bist du auch Künstler?" erkundigte der Komiker sich, da der Aufzug seines neuen Bekannten zu einem verschrobenen Bildhauer oder Modedesigner gepaßt hätte und er nicht zu aufdringlich nachbohren wollte, wie sich das Verhältnis zwischen diesem Vatore und seiner Nachbarin genau gestaltete.
"Bedaure, ich bin CEO in einem Finanzhaus. Leider bin ich nicht derart kreativ veranlagt wie die meisten meiner Freunde."
"CEO, huh?" Thilo fragte sich unwillkürlich, ob dieser Typ mit seinen Eltern Geschäfte machte. Falls ja konnte er es ihm wohl kaum vorwerfen, doch Calebs Beruf verwunderte ihn, nicht zuletzt, weil sein Gegenüber sehr gut verdienen mußte und dennoch so schräg gekleidet war. Wie trafen sich denn ein so hohes Tier und eine Malerin? "Hast du Beryl auf einer Ausstellung kennengelernt?"
"Nein, was uns zusammenbrachte war ein kunstvoll geknüpfter Knoblauchkranz an ihrer Hauswand."

"Oh! Na, sowas kann man in dieser Stadt ja auch gut gebrauchen, gerade in einer ruhigen Straße wie dieser. Es wimmelt hier geradezu von Vampiren."
Caleb grinste breit. "Ja, für Beryls Haus dürfte das in der Tat gelten", feixte er und übersah dabei glatt, wie sich das Gesicht seines Gegenübers verdüsterte. "Was soll das heißen? Hältst du sie für einen Vampirmagnet, oder was?"
"Das könnte man tatsächlich so ausdrücken, allerdings."
"Davon hat sie mir nie erzählt! Beryl hat ein Problem mit Vampiren?!"
"Genau genommen hat sie mehrere Probleme mit ihnen", erklärte der Vampir vergnügt und wurde noch deutlicher. "Einer bändelt gerade in aller Ruhe mit einer ihrer Freundinnen an statt sich von ihr umgarnen zu lassen. Das erzürnt sie sogar noch mehr als der, der sie vor Monaten gebissen hat. Weiterhin ist da der Hedge Font Manager, der ihren Müll durchwühlt. Zu guter Letzt wäre da noch die Vampirin, die sich einen Roman geliehen hat und ihn einfach nicht zurückbringt!"

Thilos Miene blieb unwillig und verschlossen. "Hör mal, als Komiker ist mir eigentlich kaum ein Thema heilig, aber mit Vampiren ist nicht zu spaßen! Das sind ganz üble Typen!"
"Ist dem so?" machte Caleb unbeeindruckt, während seine Meinung über den Blondschopf sich verschlechterte. Ihm wurde klar, daß Beryl ihren Liebhaber offenbar nicht vorgewarnt hatte.
"Auf jeden Fall! Liest du denn keine Nachrichten?"
"Ah, die sogenannten Nachrichten in den Klatschblättern! Wie viele Vampire kennst du denn persönlich?"
"Selbstredend gar keinen, ich verzichte dankend!"
"Ich hätte erwartet, daß eine Künstlerseele wie Beryl sich mit aufgeschlosseneren Freunden umgibt oder zumindest eine Lanze bricht für ihre Verbündeten, aber ich werde deinen Standpunkt akzeptieren." Der Vampir war verletzt von den Vorurteilen des anderen. Aus dieser Bekanntschaft würde wohl nichts werden.
"Bitte?!" fuhr der Komiker auf. "Du willst mich doch nur hochnehmen damit, daß Beryl mit einem dieser fiesen Blutsauger befreundet sein soll, oder? Sicher kennst du auch keinen Vampir!"

"Du meinst so einen Vampir?" Jetzt war es auch schon egal. Wenn dieser Mensch eine derart schlechte Meinung von ihm hatte konnte er ihn auch erschrecken. Caleb bleckte die Fangzähne, welche während des Gesprächs bereits gepocht hatten vor Ungeduld, und fauchte.
Thilo erbleichte und starrte ihn düster an, bewegte sich aber nicht von der Stelle. "Alter! Nicht cool!"
"Bitte?! Ich habe es mit äußerster Freundlichkeit versucht und rühre dich nicht an, also was an mir soll nicht cool sein?"
"Weiß Beryl das?"
"Sicher, seit unserem ersten Zusammentreffen! Ich habe ihr Informationen über den Vampir gegeben, der sie gebissen hatte, und seitdem sind wir Freunde. Frag sie ruhig, wenn du mir nicht glaubst." Er beobachtete, wie er von seinem Gegenüber genauestens taxiert wurde. Die Haltung des Komikers versteifte sich. "Ich verstehe nicht ganz, was hier gerade passiert, aber ich werde nicht zulassen, daß du Beryl beißt", drohte der Blondschopf.

Caleb schnaubte vor unterdrücktem Frust, ehe er betont kühl antwortete: "Das sollte kein Problem darstellen, da ich niemanden ohne Erlaubnis zur Ader lasse."
"Willst du mich jetzt vergackeiern?! Du wolltest soeben mich beißen, oder nicht?!"
"Hätte ich das gewollt, dann wärst du jetzt bereits um einen halben Liter Blut erleichtert. Für einen Komiker reagierst du recht prüde auf eine kleine Neckerei."
"Blut zu saugen ist auch verdammt wenig spaßig!"
"Da stimme ich zu, kann mich jedoch nur wiederholen. Beryl ißt keine Tiere und ich beiße keine unwilligen Personen. Unsere alternative Ernährung ist eine der Grundlagen unserer Freundschaft." Der Vampir atmete tief durch und brachte seine Fangzähne wieder unter Kontrolle. "Wie dem auch sei, ich dränge mich niemandem auf, der Angst vor mir hat. Es war trotzdem nett, dich kennenzulernen. Also, nichts für ungut, und gehab dich wohl!"
Der Frust rumorte in seinen Eingeweiden, als Caleb sich zum Gehen wandte. Diese Reaktion hatte er von Beryls Freund nicht erwartet, aber sie war leider nicht ungewöhnlich. Zu schade, daß die Malerin ihren Liebhaber nicht mental auf ihre Freunde vorbereitet hatte.

Er kam nur wenige Schritte weit.
"Warte, Vatore!" rief Thilo ihn zurück.
Mit einem vorsichtigen Blick über die Schulter blieb er stehen. Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Mensch ihn aus Angst angriff, auch wenn das heutzutage deutlich seltener vorkam. Der Komiker jedoch schien mit den richtigen Worten zu ringen. Kamen jetzt noch mehr Beleidigungen?

"Es tut mir leid", brachte Thilo zur Überraschung des Untoten schließlich mühsam hervor. "Ich hab mit Vampiren einfach sehr schlechte Erfahrungen gemacht."
Caleb ging zu ihm zurück, immer noch angespannt. "Das ist bedauerlich. Was ist dir passiert?"
"Ach, das war im Uni-Wohnheim. Damals wurde ich gebissen und habe daraufhin eine wichtige Prüfung verhauen, weil ich so schwach und müde war."
"Oh."
"Aber das war nicht das schlimmste. Die Mädels im Zimmer nebenan wurden so oft gebissen, daß eine von ihnen sogar ihr Studium abbrechen mußte, um lange Zeit in Kur zu fahren."
"Sehr verantwortungslos. Sicher war der Vampir selbst ein Student. Streßessen ist auch bei uns nicht unbekannt. Oder es waren mehrere und sie waren zu unerfahren. Es ist gegen die Regeln der Gemeinschaft zu oft in Folge vom gleichen Menschen zu trinken. Es tut mir leid, daß du so etwas miterleben mußtest."
"Danke, aber es war nicht deine Schuld."
"Es wäre schön, wenn du das tatsächlich glaubst und es nicht nur sagst, um mich zu beschwichtigen."
"Nein. Es ist schwer, zu differenzieren, aber wenn Beryl dir wirklich vertraut sollte ich es auch versuchen."
"Vielen Dank."
"Tja..." Der Blondschopf sah unsicher drein. "Tut mir echt leid, aber es ist schon wirklich spät und ich sollte langsam ins Bett... Ich glaube, diese Begegnung muß ich jetzt sowieso erstmal sacken lassen. Ein Vampir stand noch nie in meinem Garten herum."
"Verstehe. Ich wollte dich auch nicht über Gebühr belästigen. Vorgestellt habe ich mich ja nun."
"Ja... Ist wirklich nicht böse gemeint. Komm ruhig bei Gelegenheit noch mal vorbei, ja."
"Das werde ich tun. Gute Nacht!" Caleb deutete eine Verbeugung an.
"Bye, Vampir-Vatore!" Mit einem kurzen Winken verschwand Thilo im Haus. Anscheinend war es ihm nun doch zu spät, um noch bei Beryl zu klopfen.

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