Im ersten, um die Nachmittagszeit nur spärlich besetzten Club waren sie die einzigen, die dem Unterhaltungsprogramm überhaupt irgendwelche Aufmerksamkeit schenkten, und obwohl es Jade irgendwie beruhigte tat ihr das Mädchen auf der Bühne auch ziemlich leid. Sie hörten sich ihre Witze und ein Lied an, wobei Jade versuchte sich aus den kleinen Geschichten der Unterhalterin etwas für ihren eigenen Auftritt abzuleiten.

Als sie am frühen Abend in einen anderen Club wechselten glaubte sie langsam zu verstehen, was man von ihr erwartete. Hier stand ein junger, blonder Mann auf der Bühne, der das etwas größere Publikum fast ausschließlich mit kleinen Geschichten und Witzen zu unterhalten versuchte und nur ab und an mehr schlecht als recht auf seiner Gitarre zupfte.
Die Frau registrierte, wie ihr Begleiter dem Unterhalter kurz zuwinkte, und fragte: "Kennst du den Mann?" - "Flüchtig. Das ist Beryls Nachbar und Liebhaber Thilo." - "Wow! Wie klein die Welt doch ist..." - "Ihr könntet euch miteinander bekannt machen, vielleicht kann er dir einige Tipps geben!" - "Nicht jetzt, er arbeitet ja gerade. Aber ich werde darüber nachdenken." - "Tu das! Thilo scheint... sehr umgänglich Beryls Freunden gegenüber und möchte uns alle kennenlernen. Also keine falsche Scheu, ja? Gerade jetzt, zu Anfang deiner Karriere, kannst du jeden Kontakt brauchen, den du bekommen kannst."
"Da hast du sicher recht..."
"Sollte es dir unangenehm sein begleite ich dich auch gern und übernehme die erste Vorstellung, allerdings bin ich ihm selbst bislang nur einmal begegnet."
"Mal sehen..."
Während Jade an ihrer Orangeade mit Pfiff hing und dem Blondschopf konzentriert zuhörte, wandte sich Caleb auf dem Barhocker neben ihr bald anderen Dingen zu. Sie registrierte zunächst nur am Rande, wie er mit allem und jedem plauderte, doch nach und nach rückte ihr Begleiter immer mehr in den Vordergrund ihrer Aufmerksamkeit.

Als sie losgezogen waren hatte sie noch Bedenken gehabt, ob auch diesmal wieder Leute vor Ort sein würden, die ihnen giftige Blicke zuwerfen würden, und sie fragte sich manchmal, ob es doch an Calebs ungewöhnlichem Kleidungsstil liegen konnte. Es war ihr jedoch schnell klar geworden, daß sich wirklich niemand daran störte, daß ihr Begleiter aussah als käme er aus einem anderen Jahrhundert. Meist genügte ein einziger Blick von ihm, um die Menschen auf Abstand zu halten oder herankommen zu lassen, und mit denjenigen, die er an sich heran ließ, plauderte er nach wenigen Minuten als seien sie alte Freunde. Er lachte und scherzte, erzählte Geschichten und hörte zu, während er dann und wann an seinem Saft on the Rocks nippte. Jade dachte bewundernd, daß er wirklich viel vor dem Spiegel geübt haben mußte, und daß er eher auf die Bühne gehörte als sie. Gleichzeitig war ihr auch etwas schwer ums Herz, besonders wenn er andere Frauen 'Teuerste' nannte. Es war sicher dumm von ihr gewesen zu denken, daß er diesen Spitznamen nur für sie verwendete, aber er scheute auch keinen Körperkontakt und ließ mit sich flirten. Nur Einladungen zum Tanzen schlug er aus. Sie ärgerte sich selbst darüber, wie nahe ihr das ging, schließlich waren sie kein Paar oder sowas und hatten abgemacht es ganz langsam angehen zu lassen.

Traurig leerte sie ihr Getränk und wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als Caleb sich ihr prompt sofort zuwandte, als hätte er sie keine Sekunde aus den Augen verloren. "Hast du genug Inspiration sammeln können oder möchtest du noch einen Drink, Teuerste? Oder gar noch ein weiteres Etablissement aufsuchen?"
"Nein, ich muß langsam heim. Muß morgen ja noch ein Programm zurechtschustern."
"Wohlan, gehen wir", meinte er schlicht und stand auf. Die Musik war inzwischen so laut, daß beide lauter sprechen mußten.
Jade machte eine abwehrende Handbewegung. "Ähm, du mußt nicht gehen wegen mir. Du schienst dich gerade so blendend zu unterhalten."
Er beugte sich zu ihrem Ohr vor. "Ich bringe dich selbstredend heim. Und im Vertrauen: Eifersucht steht dir nicht."
"Ich bin schon groß, danke. Und ich bin auch nicht eifersüchtig." Das kam aggressiver aus ihr heraus als sie wollte, doch der Club füllte sich zunehmends mit Menschen und ihr wurde immer unangenehmer zumute. Anfangs hatte sie die Fremden ignorieren können, zumal sie sich in Calebs Nähe selbstsicherer fühlte, aber nun war sie von Leuten umzingelt und ihr Freund schien mehr auf deren Seite als auf ihrer. Die Enttäuschung darüber nichts besonderes für ihn zu sein erhöhte ihre Anspannung noch mehr, und daß sie sich ausgerechnet im Honey Pop befanden, dem Club, vor dem das Romantikfestival üblicherweise stattfand, hatte sie die ganze Zeit über gewurmt, doch die Karaokebar war leider der am einfachsten erreichbare Club mit Bühnenprogramm gewesen.

Ihr Begleiter sah sie abschätzend an, bemerkte sicher ihr Zittern und ihren umherirrenden Blick. Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Wortlos nahm Caleb sie an der Hand, die sie ohne es zu merken schon wieder zur Faust geballt hatte, und zog sie aus dem Club hinaus in die kühle Nachtluft. Sie gingen ein Stück vom Eingang weg und Jade atmete tief durch, als ihr nur noch gelegentlich ein Passant entgegenkam.
"Geht es dir besser?" erkundigte sich ihr Freund fürsorglich.
"Ja, danke. Es tut mir leid, ich..."
"Du mußt nichts sagen. Mir tut es leid, daß ich es nicht vorausgesehen habe."
"Es ist nicht dein Job, auf mich aufzupassen, sondern meiner." Diesmal sagte sie es sanft, aber bestimmt, und ein wenig traurig, weil die Anspannung wieder so groß gewesen war. "Verstehst du jetzt, wieso ich nicht auf einer Bühne stehen kann?"
"Ich verstehe, daß es nicht leicht für dich werden wird, aber ich glaube weiterhin, daß du es schaffen kannst."
"Wieso?" fragte sie ernsthaft und blieb stehen. Sie sah ihn stirnrunzelnd an. "Das frage ich mich schon seit Wochen. Wieso glaubst du so fest daran, daß ich mich auf einmal ändern kann?"
"Weil du es schon mindestens einmal geschafft hast!" Caleb zuckte mit den Achseln und lachte. "Wann warst du zuletzt in meiner Gegenwart angespannt?"
"Gerade eben!"
"Laß mich korrigieren, wann warst du zuletzt wegen mir angespannt? Und zwar nicht, weil ich mit deinem Fisch Melvin plauderte oder eine schöne Aussicht genoß, sondern schlicht wegen meiner Gegenwart?"
"Ich... ähm..." Jade überlegte, konnte sich aber nicht erinnern.
"Siehst du!" Er drückte sie kurz an sich und hielt sie dann locker im Arm. "Bis du vor größeren Menschenmengen spielst kennst du einige deiner Fans bestimmt schon gut genug, um dich nicht mehr vor allen zu fürchten."
"Als ob ich Fans bekommen würde...", lachte sie nervös.
"Sobald du Gitarre spielen darfst wirst du Fans bekommen. Ich bin schon einer!"
"Mein Lieblingsfan! Die werde ich aber nicht alle umarmen!"
"Eine Sonderbehandlung ist mir nur recht." Der Druck auf ihre Taille wurde stärker, als er sie dichter an sich heranzog. Jade stockte der Atem unter dem aufmerksamen Blick seiner grauen Augen, die im schwachen Licht der Laternen glänzten wie flüssiges Silber.

Sie machte sich ruckhaft los und murmelte: "Ich möchte das gerade nicht."
"Warum, was habe ich getan?" Der junge Mann schien verwirrt.
"Nichts. Morgen muß ich früh raus. Also, danke daß du mich begleitest hast, ich rufe dich dann am Montag an, wie mein erster Auftritt war." Jade wandte sich zum Gehen.
"Oh nein, nicht so schnell! Erst will ich wissen, wieso du so aufgebracht bist! Was habe ich dir über Kommunikation gesagt?!" Caleb folgte ihr, und egal wie schnell sie ging, er hielt Schritt. Schließlich fragte er mit einer Prise Streitlust in der Stimme: "Ist das immer noch die Eifersucht? Darf ich generell nicht mit anderen Leuten sprechen, oder nur nicht mit Frauen?"
"Ich bin nicht eifersüchtig!" rief sie und warf die Arme in die Luft. Sie fuhr herum und sah ihm ins Gesicht. Dann atmete sie erst einmal tief durch, ehe sie ruhiger erklärte: "Ich bin nur ein bißchen enttäuscht, daß du mich angeschwindelt hast, und jetzt weiß ich noch nicht, was das für unsere Freundschaft bedeutet."
"Wann habe ich dich belogen?" fragte er ernst und ein wenig ungläubig.
Der jungen Frau war das Gespräch sehr unangenehm. "Es ist nur... Du hast dich den anonymen Freundesuchern unter völlig falschen Tatsachen angeschlossen! Was war denn das gerade? Du hast keinerlei Probleme damit Kontakte zu knüpfen! Wenn du willst bist du mühelos der Mittelpunkt der Party!" sprudelte es schließlich aus ihr heraus. "Du könntest in kürzester Zeit an jedem Finger ein Dutzend Freunde haben! Was heißt das für mich? Wieso hast du mich glauben lassen du seist auch einsam? Was willst du wirklich von mir?"

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